Intransparente Förderungen

Förderdschungel, Intransparenz, Doppelförderungen, Geldverschwendung – das alles sind Begriffe, die im Zusammenhang mit Förderungen immer wieder zu hören sind. Die Gründe für diese meist negativen Assoziationen mit Förderungen sind vielfältig. So gibt es zum Beispiel keine einheitliche Definition davon, was eine Förderung ist. Die volkswirtschaftliche Gesamtrechnung (VGR), das Bundeshaushaltsrecht, die Transparenzdatenbank und Förderberichte verwenden unterschiedliche Förderbegriffe und weisen demnach auch unterschiedliche Größenordnungen aus.

Einige Daten sollen dies verdeutlichen: Die volkswirtschaftliche Gesamtrechnung weist ein Gesamtfördervolumen von ca. 14 Mrd Euro[1] für Österreich aus. Aus den Förderberichten und vorliegenden Finanzgebarungsstatistiken lässt sich diese Zahl jedoch nicht ablesen. Dies ist unter anderem darauf zurückzuführen, dass umfassende Förderberichte derzeit nur vom Bund, Oberösterreich und der Steiermark veröffentlicht werden. Die restlichen Bundesländer sowie die Gemeinden agieren hier zurückhaltender.

Die vorliegenden Förderberichte weisen Förderungen im engeren Sinn – an Privatpersonen, Unternehmungen und Vereine – und Förderungen an Träger öffentlichen Rechts aus. So listet der Förderbericht des Bundes 2012 4,6 Mrd. Euro direkte Förderungen auf. Davon gehen 2 Mrd. Euro an Träger öffentlichen Rechts. Steiermark weist im Förderbericht des Landes 2012 956 Mrd. Euro an Förderungen aus, Oberösterreich 1,2 Mrd. Euro. Weitere 6,35 Mrd. Euro werden im Bundesförderbericht als indirekte Förderung (Steuerausfall aufgrund von Steuererleichterungen) errechnet.

Der Blick in die Gebarungsstatistiken der Länder und Gemeinden zeigt für die Bundesländer (ohne Wien) 2012 Förderungen im engeren Sinn von 3,85 Mrd. Euro. Bei den Gemeinden ist es 2012 ein Volumen von Förderung im engeren Sinn von 1,4 Mrd. Euro (ohne Wien). Hier sind Förderungen an Träger öffentlichen Rechts nicht inkludiert, da diese in den Posten „Transfers an Bund, Länder, Gemeindeverbände, etc.“ enthalten sind und nicht extra ausgewiesen werden. Da diese jedoch ein fixer Bestandteil der Bundes- und Landesförderberichte sind – beim Bund machen sie 44 Prozent des Gesamtfördervolumens aus – sollten sie jedenfalls bei Förderreformen berücksichtigt werden.

Diese Unklarheiten bei Förderbegriff und Fördervolumen finden Fortsetzung bei der Frage nach den Förderzielen. Diese sind in vielen Fällen nicht definiert genauso wenig wie konkrete Förderkriterien. Welche Wirkungen mit den Förderungen erreicht werden sollen und wie dies überprüft und evaluiert werden könnte, ist in den wenigsten Förderprogrammen festgelegt. Die fehlende Gesamtstrategie, die hohe Anzahl von Förderstellen und die Vielzahl von Förderrichtlinien, die nicht vorhandene Koordination zwischen den Gebietskörperschaften und Fördereinrichtungen komplettieren das Bild. Dies wurde bereits 2010 durch eine ExpertInnengruppe Verwaltungsreform[2] zum Förderwesen[3] festgestellt. Alles in allem zeigt dies ein Fördersystem, welches mit hohem Input nicht optimale Ergebnisse und Wirkungen erzielt.

Doch was bedarf es nun, um das Fördersystem zu reformieren? Hierzu ist ein Maßnahmenbündel notwendig, welches als Oberziel das Schaffen von Accountability im Förderwesen verfolgt. Dies heißt, dass die Verantwortlichkeit der Förderstellen für das Erreichen der Förderziele- und wirkungen stärker eingefordert wird und diese hierfür einer umfassenden Rechenschaftspflicht unterliegen. Diese Rechenschaftspflicht inkludiert das verständliche Aufzeigen der Wirkzusammenhänge[4] und somit auch des „gesellschaftlichen Mehrwerts“ der Förderungen. So sollten zum Beispiel von den Wohnbauförderungen nicht nur die direkten Förderbegünstigen profitieren, sondern auch die „Gesellschaft“ durch geringere Mieten und kompakte Siedlungsstrukturen, welche kurze Wege ermöglichen.

Um das österreichische Förderwesen im Sinne der Accountability weiterzuentwickeln bedarf es mehrerer Schritte:

  • Alle Förderprogramme von Bund, Ländern und Gemeinden haben Mindeststandards zu entsprechen. Diese Regeln, dass alle Förderprogramme konkrete und messbare Ziele und Wirkungen verfolgen, welche regelmäßig evaluiert werden.
  • Alle Förderstellen koordinieren ihre Programme, schaffen somit Synergien und vermeiden volkswirtschaftlich unerwünschte, sich widersprechende Förderungen (z.B. Förderung des Individualverkehrs versus Umweltschutz).
  • Eine gemeinsame Förderstrategie von Bund, Ländern und Gemeinden dient als Zielsteuerungssystem ähnlich wie im Gesundheitsbereich. Dadurch können gemeinsame Förderschwerpunkte gesetzt und sichergestellt werden, dass Doppelförderungen nur dann stattfinden, wenn dies ausdrücklich gewünscht ist (z.B. gemeinsame Finanzierung eines Sportstadions).
  • Ein Förderpakt zwischen Bund, Ländern und Gemeinden legt zukünftige Förderobergrenzen fest. Hierbei kann eine Reduktion der Gesamfördersummen der jeweiligen Gebietskörperschaften vereinbart werden.
  • Im Sinne der Transparenz sollen alle Bundesländer Förderberichte erstellen und den Vorbildern Oberösterreich und Steiermark folgen.
  • Alle Förderberichte und förderrelevante Teile der Gemeinde, Länder und Bundesfinanzstatistik sollen als Open Data zur Verfügung gestellt werden.
  • Zumindest in ausgewählten Förderbereichen sind umfassende Evaluierungen der Ziele und Wirkungen durchzuführen, um eventuelle Einsparungspotenziale zu erheben: zum Beispiel Agrar-, Wohnbau-, Parteien-, Kultur- und Wirtschaftsförderungen.
  • Das Prinzip der „Sunset-Legislation“ sollte bei Förderungen zum Einsatz kommen. Dies bedeutet, dass alle Förderprogramme ein Ablaufdatum haben und nicht automatisch verlängert werden können.

Es ist also noch viel zu tun im österreichischen Förderwesen, um vor allem die Zielgenauigkeit, die gebietkörperschaftenübergreifenden Synergien und den Nutzen der Förderungen zu erhöhen. Dennoch muss klar sein: Die 2013 ausgewiesenen Subventionen von 1.750 Mrd Euro für die Bankenhilfe werden die Verbesserungen im Fördersystem nicht finanzieren können.

[1] Dies umfasst die konsolidierte Summe von Subventionen, Kapitaltransfers und sonstige laufende Transfers abzüglich der EU-Beiträge gemäß Volkswirtschaftlicher Gesamtrechnung. Subventionen und Transfers für ÖBB und Krankenanstalten sind hier nicht einbezogen.

[2]  Zusammengesetzt aus dem Rechnungshof, dem Österreichischen Institut für Wirtschaftsforschung (WIFO), dem Institut für höhere Studien (IHS) sowie dem KDZ Zentrum für Verwaltungsforschung

[3]  Vgl. dazu: Arbeitsgruppe Verwaltung neu: Arbeitspaket 5, 2010.

[4] Beispiel Wirkzusammenhang: Haben die Wohnbauförderprogramme in allen Bundesländern Auswirkungen auf die Mietpreise und die Siedlungsstrukturen?

Mit Transparenz gegen HCB

HCB dominiert die Schlagzeilen. Täglich werden neue Details des HCB Skandals bekannt: Bescheid  der Kärntner Landesregierung 2010, erste Hinweise aufgrund von Lebensmittelproben im Frühling 2013, Information der Landesräte durch die Behörden irgendwann 2014. Information der Bevölkerung Ende November 2014. Wir alle sind geschockt. Wie kann es passieren, dass in Österreich im 21 Jahrhundert die Bevölkerung monatelang im Unklaren gelassen wurde und kontaminierte Lebensmittel essen mussten? Wie kann es passieren, dass verantwortliche PolitikerInnen verspätet über die Ergebnisse der Messungen informiert wurden?

Für den Verwaltungsforscher ist die Antwort klar: Fehlende Transparenz fördert Systemversagen. Konkret für diesen Fall heißt dies: In Österreich werden die Ergebnisse von Lebensmitteluntersuchungen nicht automatisch veröffentlicht. Weder Politik noch Bevölkerung oder ein weiterer Kreis von ExpertInnen kann zeitnah reagieren. Selbstverständlich sollten die Behörden von sich aus die richtigen Schritte setzen. Aber nicht immer passiert das. Die Ursachen können mannigfaltig sein und sind im Nachhinein nur schwer zu eruieren: Fehler, politischer Druck, wirtschaftliche Interessen, Schlendrian  – das alles ist möglich, wenn keine Transparenz herrscht. Als Konsequenz sinkt das Vertrauen in die Behörden, die Politik, den öffentlichen Sektor und den Staat insgesamt.

Transparenz heisst nun: Egal ob Grenzwerte überschritten werden oder nicht, sind diese sofort auf einer zentralen Website zu veröffentlichen. So hätte schon vor einem Jahr Alarm geschlagen werden können – von den Behörden selber, oder von Umweltvereinen oder von der lokalen Bevölkerung. Es handelt sich bei diesen Messungen um öffentliches Gut. Sie werden von Behörden im Namen der Bevölkerung beauftragt und vom Steuerzahler bezahlt. Die Ergebnisse gehören der gesamten Gesellschaft und sind deshalb zum Zeitpunkt der Erstellung allen zur Verfügung zu stellen. Dass dies geht, zeigt das Bundesumweltamt, welches permanent Daten zur Lüftgüte und radioaktiven Belastung veröffentlicht. Warum soll dies nicht auch bei Lebensmitteln gehen? In New York veröffentlicht die Behörde die Ergebnisse von Hygienekontrollen in Restaurants. Die BürgerInnen sehen auf einen Blick, wer sich an die Regeln hält und wo man besser nicht Essen geht. Ja, das sind heikle Informationen. Es können wirtschaftliche Interessen beeinträchtigt werden, die Daten sind meist nicht selbsterklärend und für jedermann verständlich und es können falsche Schlüsse gezogen werden. Auch kostet die Bereitstellung der Informationen Geld, das in Zeiten knapper Kassen niemand bereitstellen will.

Trotzdem ist das Schaffen von Transparenz der einzig richtige Weg. Mit Open Data kann die öffentliche Hand die Ergebnisse der Lebensmittelproben sogar kostengünstig bereitstellen. Open Data bedeutet, dass nur die Rohdaten veröffentlicht werden. Diese können dann von anderen weiterverarbeitet und automatisch in Computerprogramme und Datenbanken übernommen werden. Österreich hat damit schon ausreichend Erfahrung gesammelt. Es steht hierfür ein Portal beim Bundeskanzleramt zur Verfügung und Leitfäden für „Offene Daten“ sind in Ministerien, Bundesländern und Gemeinden im Einsatz. Es fehlen nur noch die interessanten und wichtigen Daten. Lebensmittel- und Bodenproben zählen sicherlich dazu.

Sehr schnell könnten Apps oder Visualisierungen entwickelt werden, welche die Ergebnisse dieser Proben darstellen, regional verorten und auch erklären. Alarmfunktionen sind ebenfalls vorstellbar. Dies könnte von den Behörden selber gemacht werden oder von der interessierten Öffentlichkeit und Umweltverbänden. Auch hier gibt es bereits ähnlich gelagerte Beispiele: Auf der Plattform www.offenerhaushalt.at veröffentlicht, visualisiert und erklärt das KDZ-Zentrum für Verwaltungsforschung die offenen Budgetdaten von Gemeinden. In einer Art virtuellen Partnerschaft nutzt das KDZ die offenen Budgetdaten, um kostenlos Transparenz in die öffentlichen Haushalte zu bringen.

Beispiele und Möglichkeiten gibt es also genug. Nun müssen Transparenz und Open Data zur Selbstverständlichkeit im öffentlichen Sektor werden. Deshalb ist auch der Beschluss eines umfassenden Informationsfreiheitsgesetzes dringend notwendig. Nicht nur, dass dieses die Einsicht in den ursprünglichen Bescheid zum Betrieb der Anlage und zur Entsorgung der gefährlichen Abfälle leichter machen würde. Ein umfassendes Informationsfreiheitsgesetzes trägt auch zum Kulturwandel in Richtung Transparenz bei. Dadurch wird nicht nur die Bevölkerung geschützt. Auch die MitarbeiterInnen der Behörden werden entlastet, wenn Informationen ohne Rücksprache bei Vorgesetzten und kräftezehrenden, lobbiierungsanfälligen und karrieregefährdenden Interessenabwägungen zu veröffentlichen sind. Auch PolitikerInnen würde die Transparenz zu Gute kommen. Sie hätten schon viel früher von der potenziellen Gesundheitgefährdung im Görschitztal erfahren.